Zwei Flöße auf historischer Fahrt: Altes Handwerk auf der Weser erlebbar
Zwei Flöße auf historischer Fahrt – Der Verein Weserflößer Reinhardshagen macht altes Handwerk auf der Weser erlebbar
Reinhardshagen – Holzminden – Minden. Am Donnerstag, dem 24. April 2025, herrschte in den frühen Morgenstunden auf der Weser bei Reinhardshagen eine besondere Stimmung: Nebelschwaden zogen über das Wasser, als zwei imposante Holzflöße mit jeweils mehreren Tonnen Gewicht in Bewegung gesetzt wurden – ausschließlich mit Muskelkraft und jahrhundertealter Technik. Ein Bild, das heute nur noch selten zu sehen ist, aber tief in der Geschichte der Region verwurzelt ist.
Der Freundeskreis Reinhardshäger Weserflößer hat – gemeinsam mit Flößerkollegen aus Schiltach im Schwarzwald – über Wochen hinweg zwei Flöße aus massiven Fichtenstämmen gebaut, um das fast vergessene Handwerk der Flößerei aufleben zu lassen. Ihre Mission: Auf einer rund 200 Kilometer langen Fahrt flussabwärts bis nach Minden das kulturelle Erbe der Weserflößerei wieder sichtbar machen. Die Aktion ist eingebettet in die Bemühungen der UNESCO, immaterielles Kulturerbe zu bewahren – und reiht sich in eine langjährige Tradition des Vereins ein.
Drei Etappen, 200 Kilometer, ein Ziel: gelebte Geschichte
Pünktlich um 6:30 Uhr am Donnerstagmorgen verließen die beiden Flöße den Anleger in Reinhardshagen. Die erste Tagesetappe führte über rund 60 Stromkilometer flussabwärts bis zur Tonenburg bei Höxter. Dort werden die beiden Flöße am Ufer vertäut, während die insgesamt 16 Flößer in den historischen Gemäuern der Tonenburg Quartier beziehen.
Am Freitagmorgen geht es weiter: Zwischen 9 und 10 Uhr setzen die Flößer ihre Fahrt fort. Für Zuschauer bietet sich entlang der Weser, etwa von Brücken oder Uferpromenaden aus, ein eindrucksvolles Schauspiel. Die weiteren Stationen der Reise sind Grohnde und Rinteln, ehe schließlich der Wasserübungsplatz der Bundeswehr in Minden erreicht wird. Dort werden die Flöße fachgerecht zerlegt und einem Spediteur übergeben.
Tradition trifft Handarbeit: Konstruktion und Steuerung
Jedes der Flöße besteht aus 15 Fichtenstämmen mit einem Durchmesser von bis zu 40 Zentimetern. Die Maße – 15 Meter lang, 6 Meter breit – orientieren sich an historischen Vorgaben. Die Konstruktion erfolgte in einlagiger Bauweise, wie sie bereits im 18. und 19. Jahrhundert auf der Weser üblich war. Vor der Wasserung mussten die Flöße vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt geprüft und freigegeben werden. „Allein die Abnahme hat 1.200 Euro gekostet“, berichtet Bernd Kröhnert, Kassenwart des Vereins. Kröhnert, selbst Holzhändler, war maßgeblich an der Organisation der Baumaterialien beteiligt. Die verwendeten Stämme stammen aus dem Reinhardswald und wurden vom Forstamt Bad Karlshafen bereitgestellt – es handelt sich um Käferholz, das so einem sinnvollen Zweck zugeführt wurde.
Gesteuert wird auf traditionelle Weise: Zwei sogenannte Schnepper – große Ruder an der Front – werden von Hand bedient, ebenso wie der Kuhlbaum, ein langes Steuer am Heck. Diese Art der Navigation erfordert Präzision, Teamarbeit und körperliche Ausdauer. Für den Notfall verfügen die Flöße zusätzlich über Außenbordmotoren, die unterstützend eingesetzt werden können, etwa beim Manövrieren in engen Flussabschnitten oder bei plötzlich auftretender Strömung.
Sicherheit geht vor – Begleitung durch DLRG
Ein Begleitboot der DLRG Minden unter der Leitung des 1. Vorsitzenden Volker Zoerb sorgt für die Sicherheit während der gesamten Fahrt. In enger Abstimmung mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt wird der Transport koordiniert, um Risiken für Mensch und Material zu minimieren.
Mitten im Geschehen: Reporter erlebt Fahrt hautnah
Die Weser-Solling News waren ebenfalls mit an Bord – zumindest für ein Teilstück. Reporter Manfred Bues erhielt die Möglichkeit, am Anleger in Fürstenberg auf das Floß des Reinhardswälder Teams aufzusteigen. Bis Höxter begleitete er die Fahrt aus nächster Nähe und ließ sich von den Flößern in die Techniken der Steuerung einweisen. „Es ist faszinierend, wie ruhig und gleichzeitig kraftvoll diese Männer arbeiten – fast lautlos, aber mit absoluter Kontrolle“, schilderte Bues nach der Fahrt seine Eindrücke.
Gelebtes Kulturerbe – nicht zum ersten Mal
Die Flößerei auf der Weser hat eine lange Geschichte, die der Verein bereits mehrfach aufleben ließ. In den Jahren 2008, 2009 und 2018 brachte man erfolgreich Holz bis nach Minden und Bremen. Damals waren die Flöße sogar 40 Meter lang, 7 Meter breit und wogen mehr als 100 Tonnen.
Große Anerkennung erhielt der Verein jüngst durch die Aufnahme der Flösservereinigung in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Menschheit durch das deutsche Komitee der UNESCO. Eckhard Meyer, verantwortlicher Schiffsführer des Reinhardshagener Floßes, zeigt sich stolz: „Es ist ein bedeutendes Zeichen, dass unsere Arbeit und das alte Handwerk in dieser Form gewürdigt werden.“
Ein gemeinsames Projekt mit Geschichte und Zukunft
Die Idee zu dieser Fahrt entstand bereits 2023 beim Deutschen Flößertag im bayerischen Lechbruck. Seitdem haben die Flößer aus Reinhardshagen und Schiltach mit viel Engagement, historischer Sachkenntnis und handwerklichem Können an der Umsetzung gearbeitet – unterstützt von ehrenamtlichen Helfern, Behörden und der lokalen Forstwirtschaft.
Mit dieser Aktion wollen sie nicht nur an frühere Zeiten erinnern, sondern auch junge Menschen für das alte Handwerk begeistern. Die Reise auf der Weser ist damit mehr als ein nostalgisches Spektakel – sie ist gelebte Geschichte auf dem Wasser.


















