Über 200 Jahre Fährverkehr zwischen Wehrden und dem Eulenkrug
Die Weserfähre bei Wehrden
Wehrden. Flüsse verbinden, aber sie trennen auch. Wo keine Brücken vorhanden sind, baute der Mensch kurzerhand Fähren. Seit Jahrhunderten setzen die Menschen zum Pendeln daher diese Hilfsmittel ein. Von Radtouristen, Autofahrern und Anliegern werden sie geschätzt und gern genutzt. Außerdem sind die gemächlich fahrenden Fähren beliebte Ausflugsziele.

Gerd Rother ist Ortsheimatpfleger in Wehrden. Der 72-jährige wohnt seit 1974 in dem kleinen Dorf an der Oberweser. Er hat sich viel mit der Geschichte des Ortes beschäftigt. Über die Fähre, die bei Wehrden die niedersächsische und westfälische Seite verbindet, hat er eigens ein Kapitel in der Ortschronik gewidmet. Die Fährstelle war früher bei Niedrigwasser eine Furt, die durch die Bauern und Kaufleute mit ihren Fuhrwerken und Kutschen genutzt wurde. Die einzige Weserbrücke im Mittelalter war in Höxter vorhanden, aber nur durch große Umwege erreichbar. Wann die Fähre in Wehrden ihren Betrieb aufgenommen hat, ist urkundlich nicht nachgewiesen. Feststeht aber, dass es sich um eine Gierseilfähre gehandelt hat, die an einem Niedrigseil betrieben wurde. Auf einem alten Foto von 1920 ist erkennbar, dass es sich um ein Wasserfahrzeug gehandelt hat, dass auch Fuhrwerke, Kutschen und später auch Kraftfahrzeuge transportieren konnte. Einen eigenen Antrieb hatte das Übersetzmittel nicht, durch die Kraft des Wassers wurde die Fähre in entsprechender Schrägstellung zum Fluss ans andere Ufer gedrückt. Bis 1934 war das so. Um die Schifffahrt nicht zu behindern war es damals erforderlich das Seil bei herannahenden Schiffen auf den Flussgrund abzusenken. Dazu musste der Fährmann eine am Ufer verankerte Winde bedienen. Nach der Durchfahrt des Schiffes musste das Seil mit der Winde wieder in die Arbeitsposition gebracht werden. Das war ein harter Knochenjob, die Arbeit musste mit Muskelkraft verrichtet werden und das bei jedem Wetter und Jahreszeit. Nach 1934 bekam die Fährstelle in Wehrden ein Hochseil, sodass der Schiffsverkehr nicht mehr behindert wurde.



Die Wehrdener Fähre war früher im Gemeindeeigentum und wurde an den Fährmann verpachtet. Zum Ende des 18. Jahrhunderts betrug die Pacht jährlich 15 Taler. Wer übergesetzt werden wollte, musste für die Kosten aufkommen. Vor 200 Jahren wurde für den Personentransport 3 Pfennig erhoben, wer mit einem Pferd die Fähre nutzte, musste 3 Mariengroschen bezahlen. In der Gebührenordnung von 1910 sind die Beförderungspreise angepasst worden, jetzt wurden 10 Pfennig pro Person und für ein Pferd oder Maultier 25 Pfennig erhoben. Für ein Fuhrwerk mussten 50 Pfennig, für Lokomobile, Dampfmaschinen und Dreschmaschinen 60 Pfennig bezahlt werden.
Die Weserfähre hatte in der Vergangenheit nicht nur für Wehrden eine besondere Bedeutung, sondern auch die Orte am niedersächsischen Ufer hatten großes Interesse an der Fährverbindung. Schon 1875 wurde überliefert, dass hauptsächlich „Braunschweigische Untertanen“ aus Meinbrexen, Derental, Fürstenberg, Boffzen und Neuhaus die Fähre benutzten, um ihre Erzeugnisse ins Preußische abzusetzen. 1877 wurde in Wehrden ein Bahnhof gebaut. Die Domäne in Fürstenberg und das Rittergut in Meinbrexen bauten zur damaligen Zeit Zuckerrüben an und transportierten diese über die Fähre zum Bahnhof nach Wehrden. In alten Unterlagen ist vermerkt, dass um 1900 etwa 130 bis 150 Fuhren mit Rüben für die Domäne Fürstenberg übergesetzt wurden. 1945 wurde die Fähre durch Soldaten der Wehrmacht zerstört, man wollte sie nicht unbeschadet den vorrückenden Soldaten der Alliierten überlassen. Nach dem Krieg wurde die Fähre behelfsmäßig wieder hergerichtet. 1948 konnten dann auch wieder Fuhrwerke und Kraftfahrzeuge übersetzen. Die Ära des großen Übersetzmittels ging 1961 zu Ende. Seitdem fährt nur noch eine Personenfähre am Gierseil bei Wehrden. Die Kraftfahrzeuge nutzen seitdem die Brücken in Beverungen und Höxter.
Heute ist die Fähre im Eigentum der Stadt Beverungen, die auch die Kosten für die Unterhaltung trägt. Die Samtgemeinde Boffzen beteiligt sich mit einem Zuschuss für diese wichtige Touristenattraktion.




