„Kampf dem Maikäfer!“ – Der große Käfersommer 1934
Ein historischer Rückblick auf eine Naturplage, die ganze Regionen in Atem hielt – mit einem Originalartikel aus dem Frühjahr 1934
Im Jahr 1934 wurde das Frühjahr nicht nur von wärmender Sonne und sprießenden Knospen angekündigt – sondern vom Rauschen millionenfacher Flügel: Es war ein sogenanntes Maikäferjahr. Die gefräßigen Insekten, deren Larven – die Engerlinge – über Jahre hinweg Wurzeln im Boden zernagen, kamen in gewaltiger Zahl ans Licht. Ganze Bäume wurden kahlgefressen, Kartoffel- und Getreidefelder standen vor dem Ruin. Die Reaktion? Ein landesweiter Aufruf zum Sammeln, Verkochen, Verfüttern.
Ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Zeit liefert ein Artikel aus der Annener Volks-Zeitung vom 5. April 1934, den ich hier im vollständigen Originalwortlaut dokumentiere – samt der typischen Schreibweise jener Zeit:
„Kampf dem Maikäfer!“
Der Maikäfer, wie auch seine Larve, der Engerling, sind unerträgliche Freßler und richten in Gärten, Feld und Wald sehr großen Schaden an. Der Engerling, der während seiner vierjährigen Entwicklung die landwirtschaftlichen Kulturpflanzen aufs schwerste schädigt, ist wegen seiner unterirdischen Lebensweise nur schlecht zu bekämpfen. Umso wichtiger ist es, die infolge ihres Entwicklungsganges alle vier Jahre auftretenden Maikäfer rechtzeitig durch Absammeln zu bekämpfen und sie an der Eiablage zu verhindern. 1934 ist nun ein solches Maikäfer-Flugjahr. — Wenn man bedenkt, daß ein Maikäfer zwischen 60 bis 80 Engerlinge erzeugt, daß auf den Maikäferfeldern mit einem Engerlinggehalt von 90 Stück je Quadratmeter gerechnet werden, von denen man die Hauptmenge der zu erwartenden Maikäfer- und Engerlingeplage zurückführen muß, so kann man sich das Ausmaß der zu erwartenden Maikäfer- und Engerlingeplage vorstellen. Es gilt, große Schäden für Land- und Forstwirtschaft abzuwenden!
Nach dem Reichsnährstand, auf dessen Veranlassung das Auftreten großer Maikäferschwärme mitgeteilt wurde, ist daher zum Maikäferfang aufgefordert worden. So verteilte die Schulklasse in Langendreer ein, mit einer Zeichnung versehenes Flugblatt, in dem es heißt:
„Man gebe seinen Kindern, Konfirmanden usw. berg- und talwärts einen Eimer oder geeignete und ungefährliche Personen, die sie zu Pflicht führen, das Absichtliche der Bekämpfung verständlich machen. Das Flugblatt schildert den Maikäfer von den Bäumen schüttelnden Sammler als einen Retter des Getreides, Kartoffelstockmomente und der sonstigen Versorgung.“
Die Maikäfer kann man in den Eimern abtöten und vergraben oder, was vorteilhafter ist, durch Abkochen in kochendem Wasser müssen Hund und Zucht sehr wertvolle Fleischkost. Den Maikäferfang in großem Umfange durchzuführen, ist Pflicht eines jeden, denn nur durch die Mitarbeit der gesamten Bevölkerung kann das drohende Unheil noch halbwegs aufgehalten werden.
Die abgekochten Maikäfer ergeben ein sehr gutes Futter für das Geflügel und besonders für junge Hühner. Sehr gut auch als Zusatzfutter von Kaninchenfarmen. Getrocknete Maikäfer sind ein sehr begehrtes Nährfutter für Fische. Auch als Düngemittel sind abgekochte Maikäfer geeignet — als Dünger und auch als Schweinefutter.

Was aus heutiger Sicht fast kurios wirkt – die Vorstellung, Maikäfer als Hühnerfutter, Fischmehl oder gar Fleischersatz zu nutzen – war damals ein ernsthafter, notwendiger Beitrag zur Ernährungssicherung und Schädlingskontrolle. Schulen wurden zu Sammelstellen, Kinder zu „Käferhelden“.
Heute ist der Maikäfer in vielen Regionen selten geworden. Der massive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und der Wandel der Landwirtschaft haben ihn zurückgedrängt. Doch der Artikel aus dem Jahr 1934 erinnert eindrucksvoll an eine Zeit, in der ein kleines Insekt zur nationalen Aufgabe wurde – und daran, wie viel Kreativität in der Not entstehen kann.
Hinweis: Der Maikäfer auf dem Foto wurde vor wenigen Tagen in Fürstenberg gesichtet und von Karlheinz Schereim fotografiert.




